Sommerinterview mit Benno Harbauer - Resümee und Ausblick vom Vereinsvorsitzenden

von Markus Fromm

Hallo Benno, du bist seit 1997 im Vorstand unseres Vereins. War dies die emotionalste Saison in den vergangenen 28 Jahren?

Es war in jedem Fall eine Spielzeit, die viele Nerven gekostet hat, zumindest konnte man sich aufgrund des Umbruchs im letzten Sommer darauf einstellen. Aber emotionaler wahr nimmt man doch die Zeit, in der man selbst auf dem Platz gestanden hat. Man hat eine andere Sicht auf die Dinge, kann weniger beeinflussen von außen. Aber als nach dem Spiel in Weimar der Klassenerhalt quasi feststand, waren viele Emotionen im Spiel, ganz klar. Ich war heilfroh, dass es gut gegangen ist.

 

Viele Jahre hast du dich federführend um die Kaderzusammenstellung der 1. Mannschaft gekümmert. Seit letztem Jahr steht dir der ewige Capitano Max Domeinski unterstützend zur Verfügung. Wie zufrieden seid ihr mit dem Saisonverlauf in der Thüringenliga?

Max wächst in diese Aufgabe hinein und macht sich insbesondere mittelfristige Gedanken, wie sich Mannschaft und Verein zukünftig aufstellen. Eigentlich wäre er mal mit dem Sommerinterview dran gewesen. Wir wussten beide im Sommer letzten Jahres nicht, wo die Reise hingeht. Mit elf Abgängen, davon mit Weis, Fiß, Sierra Galeas, Finger, Zickler, Zamiar, Wiesner, Sauerbier, Kliem viele Führungs- und Stammspieler, dagegen zehn neue Jungs, war es eine Wundertüte und es galt immer Optimismus auszustrahlen. Aber eins war uns klar: solange dieser Trainer (Thomas Wirth, Red.) bei Preußen ist, haben wir eine Chance in der Liga zu bleiben. Nach der Niederlage in Schleiz zur Mitte der Hinrunde war Thomas Wirth unheimlich konsterniert und ich habe alles versucht, damit er nicht von selbst das Handtuch schmeißt. Er hat überragende Arbeit geleistet, es war seine größte Leistung in den sechs Jahren hier, mit dieser jungen Mannschaft in dieser nicht einfachen Liga am Ende über dem Strich zu stehen. Er macht aus den Möglichkeiten das Optimale und jeden Spieler insbesondere taktisch besser.

 

Trotz des großen Spielerrepertoires zu Saisonbeginn, wurden bereits in den Ruhestand verabschiedete Spieler wie Fiß oder Jäger während der Saison reaktiviert. Das war eigentlich nicht geplant, oder?

Was kann man schon planen über zwölf Monate? Fisser und Shagger warten sicher nicht wöchentlich darauf angerufen zu werden, aber auch für sie ist es ja nicht so, dass wir sie ins Stadion prügeln müssen. Sie haben in schwierigen Situationen geholfen, ich will nicht ausschließen, dass es in Ausnahmefällen nochmal passiert. Sie haben ja nach wie vor die Qualität, auch wenn sie im Nachgang jammern über den Zustand ihres Knochenbaus.

 

Dennoch hing der Klassenerhalt lange am seidenen Faden. Was wäre gewesen, wenn wir in den bitteren Apfel des Landesklasse-Abstiegs hätten beißen müssen?

Dann hätten wir das respektieren müssen, so ist der Sport. Alle Mannschaften wollen diese attraktive Liga nicht verlassen, manche nicht mal nach oben. Wir standen aber nie auf einem Abstiegsplatz. Wir brauchen nur in die Region zu schauen, dort versuchen mit Gotha, Sondershausen, Mühlhausen, Erfurt Nord einige aufzusteigen und scheitern Jahr für Jahr. Es ist immer leichter drin zu bleiben, als wieder nach oben zu kommen. Deshalb sind wir sehr froh, weiter Teil der höchsten Thüringer Spielklasse zu sein.

 

Wirst du weiterhin die Geschicke in der sportlichen Leitung begleiten oder willst du diesen Posten perspektivisch abgeben?

Es hat sich über die Jahre ein Netzwerk aufgebaut, was natürlich hilft, mit Spielern und Trainern ständig im Kontakt zu sein. Das Frühjahr ist immer sehr intensiv und man erlebt mehr Enttäuschungen als Freude an diesem Job. Trotzdem brenne ich nach wie vor dafür, den Verein weiterzuentwickeln und das geht ja weit über die I. Mannschaft hinaus. Aber ja, ich würde gern andere Themen intensiver beackern, dafür fehlt dann aber die Zeit. Ich hätte aber überhaupt kein Problem damit, wenn morgen jemand sagt, ich mach das vollumfänglich. Dann muss er aber auch liefern, denn wir haben uns hier gemeinsam über einen langen Zeitraum etwas aufgebaut, was durchaus noch länger Bestand haben sollte.

 

Drei Neuzugänge (Weißenborn und Schleip von Großengottern sowie Aliyev von Fahner Höhe) sind durch die Veröffentlichung ihrer bisherigen Vereine bekannt. Wer wird noch zum Verbandsliga-Team stoßen?

Wichtig war erstmal, dass der Kern der Stammelf zusammenbleibt. Die Fluktuation hält sich in Grenzen. Dass mit Tim Weißenborn und Leon Schleip zwei absolute Wunschspieler zu uns stoßen, ist klar und für unsere Offensive elementar wichtig, auch Elshan Aliyev war seit Jahren ein Thema, schließlich wohnt er seit neun Jahren in Bad Langensalza. Er hat gut 200-mal in der Oberliga- und Thüringenliga gespielt. Mit Tobi Biniok stößt wie in jedem Jahr ein A-Jugendlicher aus dem eigenen Verein nach oben. Als Kapitän der A-Junioren, die die Kreisoberliga gewonnen haben, hat er die Qualität, auch wenn er noch nicht jede Woche in der Startelf stehen wird. Mit Cuno Johannes aus Weimar und Wendelin Fischer konnten wir einen jungen Innenverteidiger und einen jungen Stürmer, die beide in Erfurt studieren, überzeugen zu uns zu kommen. Wir halten die Augen weiter offen und wenn jemand passt, nehmen wir ihn gern ins Team, was derzeit 23 Spieler umfasst. Es wird bei „Jugend forscht“ bleiben, aber die Jungs haben nun ein Jahr Thüringenliga in den Knochen und werden davon profitieren. Den Neuen werden wir die Zeit geben anzukommen, keiner erwartet, dass sie die Liga in Grund und Boden spielen.

 

Gibt es eine Wunschplatzierung bzw. Zielstellung für die kommende Saison?

Wir peilen einen einstelligen Tabellenplatz an und wollen die Spitzenmannschaften ärgern. Die Thüringenliga ist kein Wunschkonzert, einige Mannschaften müssen in diesem Jahr Umbrüche bewältigen, wie wir im letzten Jahr. Von daher kann man es schwer einschätzen. Aber ich traue unserer Mannschaft 40 Punkte zu, wenn sie sich durch Urlaube, Sperren oder andere Abwesenheiten nicht selbst schwächt. Wir sind im Amateurfußball, aber manchmal muss ich schon schlucken, wenn Spieler am Wochenende fehlen. Da hätten wir früher anders gehandelt.

 

Die Oberliga ist sicherlich nach wie vor illusorisch. Dennoch hat es Heiligenstadt vorgemacht, dass es nicht unmöglich ist. Wäre zumindest eine Meisterschaft irgendwann lukrativ, selbst wenn der Aufstieg nicht wahrgenommen werden würde?

Wir wissen, wo wir herkommen und was in Bad Langensalza möglich ist. Wer hätte 2015 gedacht, dass wir zehn Jahre später immer noch Mitglied des illustren Kreises der Thüringenliga-Mannschaften sind. Von daher keine Luftschlösser bauen, sondern realistisch bleiben. Was ich allerdings richtig geil finde, welche Euphorie solch ein Aufschwung wie in Heiligenstadt ausmacht. Dort kamen manchmal nur 50 Zuschauer, jetzt steht man ganz oben im Zuschauer-Ranking mit manchmal vierstelligen Zuschauerzahlen. Wenn sie uns den Schnellhardt für ‘nen schmalen Taler abgeben, dann wäre das auch hier möglich, er und Trainer Andrè Thüne haben die ganze Mannschaft besser gemacht. Aber da muss vieles zusammenkommen und zum richtigen Moment passen.

 

Schauen wir auf die zweite Mannschaft. Wie vorletzte Saison mussten die jungen Schützlinge von Trainer René Zollitsch ganz knapp den Abstieg aus der Kreisoberliga verkraften. Was sind die Ambitionen von Preußen II. in der Kreisliga?

Leider haben die Jungs erst spät in der Saison so richtig die Kreisoberliga angenommen. Dass man am Ende durch das schlechtere Torverhältnis abgestiegen ist, das ist immer eine bittere Nummer. Es werden nun weitere sechs A-Junioren-Spieler mit Perspektive für die I. Mannschaft eingebaut. Mir ist nicht bange, die Liga ist weitaus attraktiver mit Spielen gegen Merxleben, Altengottern oder Thamsbrück und sie werden um Platz 1 mitspielen, da bin ich mir sicher. Also von daher kein Beinbruch, Mund abputzen und wieder angreifen.

 

Die A-Jugend wurde Kreismeister und einige Spieler klopfen „oben“ an. Wo wird das Team in der kommenden Saison spielen und wie hoffnungsvoll bist du, dass sich weitere Eigengewächse im Männerbereich etablieren?

Die Jungs haben mit den Meisterschaften sowohl in der Halle als auch in der KOL trotz kleinem Kader gut gearbeitet. Zwar wird sich der Kader etwas verbreitern, aber wir sehen es pragmatisch. In der Kreisoberliga oben mitspielen, ist besser, als in der Verbandsliga sportlich in Schieflage zu geraten. Mit 18 oder 19 Jahren steht der Fußball bei den meisten nicht an oberster Stelle, deshalb wollen wir vernünftig bleiben.

 

Gib uns noch deinen Saisonrückblick über das Frauenteam und den Nachwuchsbereich.

Die Frauenmannschaft wird zu den Vize-Preußinnen, was mehr Erfolg als Niederlage ist. Zweimal Vizemeister und zweimal das Pokalfinale in Folge verloren, ich hätte es den Mädels gegönnt mal einen Pokal zu stemmen. Aber die Stimmung ist gut. Wir sind sehr froh, dass sie unser Vereinsleben bereichern.

Der Nachwuchsbereich zählt mit 12 Mannschaften im Spielbetrieb zu den absoluten Größen im UH-Kreis. Mit Luis Helbing und Tammo Schuchardt zum FC Carl Zeiss Jena und Tiago Seyfarth zum 1. FC Eichsfeld in die Talenteliga gehen drei Spieler in höhere Ligen, ein Kompliment an alle Trainer, die daran mitgewirkt haben. Wichtig ist auch nicht, ob man im Land oder Kreis spielt, denn die Trainingsintensität ist die gleiche, wichtig ist die Perspektive, welche wir anbieten, und die heißt Thüringenliga. Und dieses Alleinstellungsmerkmal gibt es im UH-Kreis derzeit nur bei Preußen. Wenn wir es schaffen, jedes Jahr ein oder zwei Spieler in die I. Mannschaft einzubauen, dann haben wir vieles richtig gemacht. Ab Juli sind es neun Eigengewächse, die im Thüringenliga-Kader stehen, das ist eine überragende Quote und das soll zukünftig weiter ausgebaut werden, wenn es nach mir geht.

Ein Wort noch zu unserem Jugendleiter. Ohne Torsten Otto, der vorneweg geht, zwei, manchmal drei Mannschaften trainiert und am Wochenende betreut, wäre der Jugendbereich nicht der, der er heute ist. Er lebt die Preußen-DNA vor und gibt sie weiter. Ein toller Mensch und Trainer und in seiner Funktion überragend, weil er auch mal ein Querdenker ist, der nicht mit dem Strom schwimmt.

 

Trotzdem gibt es immer Baustellen im Verein (Trainerbesetzung, Schiedsrichterakquise, zu wenig Platzkapazitäten etc.). Wie gehst du bzw. der Vorstand diese Herausforderungen an?

Dafür sind wir in diese Verantwortung gewählt worden. Wenn alles ohne Probleme verlaufen würde, wer soll dann noch meckern und schimpfen, was im Fußball dazugehört. Wenn man bedenkt, dass der Vorstand von vier Personen in 1997 auf mittlerweile 15 Personen angewachsen ist, dann ist das ein Spiegelbild der Entwicklung in den letzten Jahren. Jede(r) macht es ehrenamtlich und jede(r) bringt seinen/ihren Teil mit ein, von daher übertreffen die freudigen Ereignisse die Herausforderungen um Längen.

Ein Beispiel noch. Wir bauen derzeit eine 4 x 2 Meter große LED-Anzeigetafel im Stadion, die hat softwareseitig Profifußball-Format. Wir haben uns bewusst für diese Form der Investition entschieden und nicht in Fußballerbeine für eine fünf Plätze bessere Platzierung in der Thüringenliga. Das wird das Vereinsleben nach vorn bringen, hier kann man auch mal ein Public Viewing starten und unsere Sponsoren super präsentieren. Etwas Außergewöhnliches in unseren Breitengraden. Wenn solch eine Herausforderung in die Tat umgesetzt wird, dann ist man auch mal zufrieden.

 

Dein Schlusswort kurz vor der Sommerpause:

Durchatmen und Danke sagen an alle, denen der Verein am Herzen liegt. Danke den Sponsoren, den Stadtverantwortlichen für den überragenden Rasenplatz, den Helfern, den Trainern, den Spielern, den Schiedsrichtern, meinen Vorstandskollegen. Alle Preußen sollen im Urlaub mit ihren Familien und Freunden den Akku aufladen. Zur neuen Saison werden wir wieder volles Rohr durchstarten. Ab 20. Juli lasse ich für zweieinhalb Wochen mein Handy 23 Stunden am Tag aus, dann bin ich weg. Der erste Weg nach der Rückkehr geht aber ins Stadion zum ersten Heimspiel, darauf freu ich mich schon jetzt, wenn es bei Bier und Bratwurst und denselben Verrückten wieder los geht. Bis dahin!

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